Alles, was du brauchst, ist ein Sprung zum Supermarkt

Was ich tue, um aus dem Alltagstrott auszubrechen und ins Fühlen zu kommen

Wir lieben Neuanfänge, weil es einfacher ist, ein leeres Blatt Papier mit neuen Ideen zu bemalen, als eines, das bereits vollgekritzelt ist. Ich schreibe trotzdem schon lange keine Jahresvorsätze mehr, denke mir stattdessen ein Thema für das kommende Jahr aus, das mich wie ein Leitfaden bei allen wichtigen Entscheidungen unterstützen soll. 2024 war es Vertrauen.

Als ich gestern beim Lesen auf der Couch kurz eingenickt bin, überlegte ich in diesem dösigen Zwischenstadium, wovon ich gern mehr in meinem Leben hätte. Immer wieder drängte sich ein Wort in den Vordergrund: Gefühl. Für einen verkopften Menschen wie mich ist das ein lebenslanges Unterfangen – mein Leben mehr nach Intuition und weniger nach Vernunft zu führen. 2023 machte ich genau das zu meiner Praxis. Nach einem Jahr wöchentlicher Therapie entschied ich damals, aufzuhören und die gewonnene Zeit (und Geld) in den Sport zu investieren. Die Therapie hat vieles in mir verändert, wertvolle Aha-Momente gebracht und Prozesse angestoßen, die ich alleine wahrscheinlich nicht initiiert hätte. Da ich aber grundsätzlich ganz natürlich dazu neige, alles zu hinterfragen, zu reflektieren und letztlich zu intellektualisieren, besteht meine größte Herausforderung darin, auf mein Bauchgefühl zu hören und ihm zu vertrauen. Genau deshalb setze ich meine Reise auch 2025 hier fort: Ich lasse mich voller Elan und Emotion ins neue Jahr treiben und teile 10 Dinge mit dir, die mir helfen, wieder zu mir selbst zu finden und ins Fühlen zu kommen. Shall we?

1. Sing the night away

   Alle, die meine Kolumne von Anfang an lesen (you cuties, you), wissen, dass ich dieses Jahr zum ersten Mal an einem Singkreis teilgenommen habe. Vier Mal sang ich jeweils zwei Stunden lang in einer Gruppe mit fremden Menschen Mantras, während die Leiterin uns auf der Gitarre begleitete. Schon am ersten Abend, mit der Hand auf meiner Brust, ließ ich die Vibration durch meinen ganzen Körper dröhnen. Dabei realisierte ich, dass ich meine eigene Stimme gar nicht richtig kenne und auch nicht weiß, wie ich sie richtig einsetze. Die Stimme ist ein geheimnisvoller Schatz voller verdrängter Gefühle und Emotionen, die sich im Laufe unseres Lebens angesammelt und dort angesetzt haben. Sie lassen sich nur schwer verschleiern. Die Stimme verrät uns, wie wohl wir uns fühlen, wovon und von wem wir uns verabschieden, und was wir in größeren Mengen in unser Leben einladen sollten. So trust me and sing away!

2. Höre Oper

   Now, stay with me here. Lauf nicht weg. Auch ich habe mich lange nicht getraut, Oper zu hören. Warum, naja, weil ich das für etwas Elitäres hielt und, wenn ich ehrlich bin, beim Zuhören nichts verstand. Mittlerweile, älter (und weniger ignorant was die Artikulation betrifft), habe ich große Ehrfurcht vor dieser Kunstform entwickelt. Kein Popsong der Welt kann die Quelle unserer Seele auf diese Weise erreichen. Oper dringt bis in die tiefsten Schichten deines Herzens vor, sie bringt dich zurück an den Ursprung. Fang mit Maria Callas an. Und wenn du bereit bist, gönn dir ein Ticket für eine Opernvorstellung. Du wirst es nicht bereuen.

3. Tanze zu Tylas Debütalbum voller popiger Amapiano beats. Die Musik macht jede Putzsession zu einer richtigen Tanzparty (und den Staubsauger zu deinem best friend).

4. It’s about time you watch “About Time”

   Das ist wohl die schönste und klügste romantische Komödie der Welt. Kein Kitsch, kein Augenrollen – stattdessen voller Trost und berührender Momente, die dich dazu inspirieren, das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen zu entdecken und dein Leben im Ganzen zu betrachten. In den Hauptrollen glänzen die herausragende Rachel McAdams und der irische Charmeur Domhnall Gleeson. Und der Film ist gespickt mit Weisheiten wie dieser:

   

   Screenshot, About Time von Richard Curtis, dem Regisseur von Love actually

   Bonuspunkte: Hol dir dazu die Lindt Fioretto Nougat Pralinen. Weder zu süß noch zu cremig, dafür super knusprig, just like your life! Eat it and watch. it. now.

5. Be still

   und höre zu, ohne darüber nachzudenken, was du als Nächstes sagen wirst, ohne auf dein Handy zu schauen oder darüber zu grübeln, welchen Vibe du in diesem Moment ausstrahlst. Fokussiere dich auf die Person vor dir, nicht auf dich selbst und mach so wenig wie du kannst — weniger reagieren, zappeln, nicken, aber dafür mit vollem Geist anwesend sein. Und dann, wenn ihr beide euer System runtergefahren habt, schweigt miteinander. Sagt nichts, auch wenn es unangenehm wird, bis ihr diesen vermeintlich peinlichen Moment überbrückt habt. Wer weiß, vielleicht entsteht in dieser Stille eine Verbindung, die dir vorher nicht bekannt war?

6. Fragen zu stellen, ist sexy!

   Es gibt keine doofen Fragen – und nein, das ist keine Floskel. Eines der großartigsten Dinge an meinem Beruf als Journalistin ist, dass ich meine Neugier ausleben darf. Wie funktioniert das? Wo kommt es her? Warum läuft es so und nicht anders? Was denkst du darüber? Aber auch privat hilft es mir, auf diese Weise Menschen nahe zu sein: Wie geht es dir dabei? Möchtest du darüber reden? Wie kann ich dich unterstützen? Wenn du neugierig und aufmerksam lebst, lernst du nicht nur jeden Tag dazu. Du gibst auch anderen die Erlaubnis, Fragen zu stellen und um Hilfe zu bitten. Gib das nächste Mal zu, wenn du etwas nicht weißt und bedanke dich bei der Person (statt sie für klugscheißerisch zu erklären), die dir die Antwort gibt. Einfach, aber weltbewegend. Ich garantiere es dir.

7. Wenn du jemanden bewunderst, sag es ihnen.

   Noch nie hat sich jemand gewünscht, kein Kompliment erhalten zu haben. Deine Worte haben Gewicht – vor allem die guten. Teile sie, lass sie hinaus in die Welt, anstatt sie für dich zu behalten. Damit versüßt du nicht nur der:m Empfänger:in den Tag, sondern legst auch in dir selbst die Wurzeln für das, was du bewunderst. Mit der Zeit wirst du diese Qualität auch an dir erkennen.

8. Lese die Modern Love Kolumne der New York Times.

   

   Eines Nachmittags in London im Jahr 2017 schickte mir ein Studienfreund im Kurs eine Nachricht. Isn’t that wonderful? schrieb er und fügte drunter einen Link hinzu, der zu dieser Modern Love Kolumne führte. In “When Your Greatest Romance Is a Friendship” von Victor Lodato geht es um die ungewöhnliche, aber sehr innige Freundschaft zwischen einer 80-jährigen pensionierten Psychologin und einem 40-jährigen Schriftsteller.

   Das war die Liebe auf den ersten Blick, ich und die Kolumne, meine ich. Dafür abonniere ich seitdem brav die New York Times und freu mich jede Woche wie ein Kind, wenn die neue Ausgabe in der App landet. Wer Essays über persönliche Erfahrungen mit der Liebe mag (und seien wir ehrlich, wer mag sie nicht?), hat damit den Jackpot geknackt. Tröstlich, traurig, bewegend, chaotisch, empörend, inspiriend, lustig — jede Emotion ist dabei. Für die auditiven und visuellen Typen unter uns: Die Kolumne gibt es mittlerweile als Podcast und zweistaffelige Serie auf Amazon Prime. You are welcome.

   “Friendship, like its flashier cousin, love, can be wildly chemical and, like love, can happen in an instant.”
   Aus When Your Greatest Romance Is a Friendship

9. When in doubt, Kombucha your life

   Im Frühling schaute ich mir eine Online-Masterclass übers Fermentieren an und beschloss, es zu meinem neuen Hobby zu machen. In einem kleinen Spezialladen im Berliner Schöneberg ließen T. und ich uns von der strengen, aber kompetenten Besitzerin beraten. Sie empfahl uns ein Kombucha-Set: ein großes Gärglas, einen Scoby, Starterflüssigkeit, unraffinierten Rohrohrzucker, eine Tee-Mischung und eine Stoffhaube. Zu Hause beobachteten wir akribisch den Fermentierungsprozess – eine Woche lang, jeden Tag sorgten wir uns um den kleinen Pilz. War die Temperatur ideal zum Reifen? Hatte er genug Sauerstoff? Sobald sich an der Oberfläche Bläschen bildeten, high-fivten wir. Alles lief nach Plan. Wir erzählten allen davon und verschenkten stolz Flaschen an Freund:innen. Manchmal reicht es, etwas zu lernen, ohne dass es direkt von Nutzen ist oder kapitalistisch „sinnvoll“ erscheint. Manchmal genügt es einfach, well….to enjoy.

   

10. Wenn das Leben sour wird, mach dir einen Pisco Sour!

    Espresso Martini who? Pisco ist ein ungelagerter Branntwein, der aus bestimmten aromatischen Trauben hergestellt wird, die entlang der Pazifikküste Südamerikas angebaut werden. Als Sour schmeckt er absolut HIMMLISCH. Wenn du eine Silvester Party hostest und/oder auf der Suche nach einem besonderen Cocktail bist, wirst du bei deinen Freund:innen mit diesem peruanischen Stargetränk ziemlich hoch punkten. (Bitte aber kein schlechtes Gewissen einreden, wenn jemand keinen Alkohol trinken möchte.)

Zitaten:

1 Eiweiß (vegane Version: funktioniert auch mit dem Saft der Kichererbsen gut)
15 ml frischer Limettensaft
60 ml Pisco
15 ml frischer Zitronensaft
22,5 ml Zuckersirup
Aromatische Bitters zum Garnieren

Gib alle Zutaten außer den Bitters in einen Shaker und schüttel sie kräftig ein paar Sekunden lang. Füge für die zweite Schüttelrunde 4 bis 5 Eiswürfel hinzu und seihe den Inhalt danach mithilfe eines Barsiebs und eines Feinsiebs in ein Coupette-Glas ab. Garniere es zum Schluss mit ein paar Spritzern aromatischer Bitters und voilà!

Cheers 🥂 and see you on the other side!

Niki