Hä, ein Blog? Es ist doch nicht mehr 2016, Niki!, denke ich mir und muss schmunzeln. Aber da sind wir nun, im Jahr 2024, und ich starte einen Blog. Oder einen Newsletter. Kolumne? You name it.
Der Grund dafür liegt darin, dass ich als Freelancerin meistens von zu Hause arbeite und sehr viel Zeit allein mit meinen Gedanken verbringe. Ich brauche also einen Ort, wo ich diese loswerde. Die Entscheidung, eine Kolumne zu starten, kam relativ spontan, nachdem ich etwas beschämt festgestellt habe, dass ich Bekannten viel zu oft erzähle, keine Kolleg:innen zu brauchen, weil ich ja „eh oft in Cafés arbeite“, bzw. in meiner Lieblingsbäckerei 100 Brote, ich aber, wenn ich mit mir selbst ehrlich bin, das letzte mal im Dezember 2023 dort gewesen bin. Die Bäckerei ist eh toll, dort läuft Jazz im Hintergrund, es gibt frisch gebackenen Kuchen und belegte Brötchen, liebe Angestellte und vor allem große Bodenfenster, wo ich am Fenstertisch entspannt arbeiten kann. Leider hat die Bäckerei aber kein Klo, sodass ich nach einer Limonade und einem Kaffee schon nach Hause rennen muss. Dann gibt es noch ein anderes Kaffeehaus, das auch gemütlich ist, aber leider kein Wi-Fi hat. Ihr fragt euch wahrscheinlich, warum ich mir nicht einfach ein neues Café raussuche, aber es ist gar nicht so einfach, einen passenden Arbeitsort zu finden, der ruhig, gemütlich und nah ist UND Laptops erlaubt. Berlin ist da nicht so nachsichtig wie Wien. Ich sehne mich also nach Community und Nahbarkeit im Alltag, wo ich nicht so tue, als hätte ich beim Zoom-Interview keine ungewaschene Pyjamahose mit Rentiermuster an. Außerdem halte ich in meiner Arbeit als Journalistin so viele Geschichten und Erlebnisse anderer Menschen fest, dass ich mich manchmal ernsthaft frage: Habe ICH denn überhaupt etwas zu sagen oder bin ich nur mehr dafür da, alles nachzuplappern? Der Geist ist mittlerweile so stark vom Körper getrennt, dass ich mich in Gesprächen von außen sehe und mir verängstigt denke, ob ich eh genug nicke und lächle, und wenn nicht, könnte ich ja, Göttin bewahre, unfreundlich wirken. Aber wenn ihr nach drei Wochen nichts mehr von mir hört, dann wisst ihr, dass mir wahrscheinlich der Stoff ausgegangen ist.
Was könnt ihr hier erwarten? Das weiß ich selbst noch gar nicht so genau. Aber hoffentlich einen Ort, der sich wie ein Sonntagvormittag im Bett anfühlt, den wir gemeinsam (in getrennten Betten) mit zerzausten Haaren und bei einer Tasse Kaffee/Tee verbringen. Also gibt es hier wahrscheinlich Alltagsstories, Geistesblitze, Erkenntnisse, Bücher, die ich toll oder nicht so toll finde, Therapie-Talk, Musik, Dinge, die mich bewegen oder nerven, Empfehlungen, Ängste. Wie zum Beispiel am Freitag: Ich saß am späteren Nachmittag hier in Berlin, eingekuschelt unter meiner sonnengelben Wolldecke von Grüne Erde, und drückte mich vor einem Anruf.
Apropos Decke: Pia, falls du da bist, weißt du noch, wie herrlich die Grüne Erde Zentrale im oberösterreichischen Almtal war? An alle in Österreich, die das lesen: Ihr müsst unbedingt hin. Das ist ein absoluter Wohlfühlort, ca. 2 ½ Stunden Autofahrt von Wien, mit weiten, lichtdurchfluteten und nach Holz riechenden Räumen. Ihr könnt durch den Store schlendern und euch dabei die nachhaltigen Produkte der Marke anschauen: Kosmetik, Kleidung, sogar Möbel. Die sind viel zu teuer, aber vorbeischauen lohnt sich trotzdem. Ein paar Produkte sind schon leistbar; ich habe dort zum Beispiel das beste Aromaöl aller Zeiten gekauft: Sommernachtstraum mit einer Duftmischung aus Bergamotte, Orange, Mandarine und Minze. Oder ihr chillt einfach nur im Außengelände, wo es einen hübschen Obst- und Gemüsegarten gibt und ganz viele Wiesenblumen. Ein absolutes Must ist es, auf der Bistro-Terrasse bei gutem Wetter vegetarisch zu frühstücken. Vor allem gibt es dort aber diese Art von Ruhe, die man sonst nur am abgelegenen, windstillen See erlebt, wo Handys in Hosentaschen am Ufer zurückbleiben und nur das Rauschen von Blättern zu hören ist. Diese Art von Ruhe habe ich beispielsweise auch am Almsee gespürt, inmitten der alpinen Berglandschaft und umgeben von dichten Wäldern — ca. eine halbe Stunde von der Grüne Erde Zentrale entfernt. Ich gebe euch hier mal den Link zum Store weiter, falls ihr den Ort auschecken wollt. Eine Filiale gibt es übrigens auch in Berlin. Na schaut, meine erste Empfehlung! Läuft.
Zurück zum Anruf. Ich musste das belarusische Konsulat in Wien anrufen, weil ich Informationen zum Visumantrag benötigte. Und weil es 1990 ist, nehmen Sie keine Anfragen per Mail an. Eigentlich wollte ich schon am Donnerstag anrufen, aber dann hatte ich doch Besseres zu tun: zum Sport gehen, Blumen gießen, Haare kämmen. Ich habe auch eine Stunde damit verbracht, die wichtigsten Sätze auf Russisch vorzunotieren, damit ich beim Telefonieren nicht stottere. Glaubt es oder nicht, aber mein Russisch ist etwas eingerostet. Ich sage mir schon seit Jahren, dass ich in der Sprache mehr lesen soll, damit mein aktives Vokabular nicht nur auf die Zutaten der belarusischen Speisen beschränkt bleibt. Blöd nur, dass Mayonnaise auf Russisch fast identisch klingt. Und natürlich kommen dann wichtigere Dinge dazwischen. Drei Jahre mittlerweile schon. Einmal sagte das damals fünfjährige Kind meiner Cousine zu mir, ich hätte einen AKZENT und lachte mir dabei ins Gesicht. Das tat weh. Akzent in der Muttersprache ist für mich als migrantische Person, die erst mit 13 nach Österreich gezogen ist, wie „du weißt schon wer“ für Harry Potter. You just don’t go there.
Habt ihr auch Hemmungen vor dem Telefonieren? Ich habe das Gefühl, es geht vielen Millennials so. Der Gedanke daran, mich vor einem streng aussehenden und in einen Anzug gekleideten Konsul (so sieht er in meinen Augen jedenfalls aus) eloquent ausdrücken zu müssen, löst ein Panikgefühl in mir aus. Schnell verwandle ich mich in mein vierjähriges Ich, das gelernt hat, brav vor Autoritäten zu sitzen, mit Handflächen auf den Knien, stumm und nickend. Sprache erlernt man, aber man muss sie auch erst in sich finden. Und dann ist da noch diese leise, zwischen den Knochen summende Angst, sich zu blamieren und abgelehnt zu werden. Also lieber nicht anrufen, schön die Kontrolle bewahren. Sonst passiert vielleicht ja wieder das, was man mit sechs oder acht erlebt hat, wofür man später ausgelacht wurde. Und so weiter und so fort. Sich der Aufgabe zu stellen, kommt in dem Moment also nicht in Frage, delegieren aber schon. Also habe ich meine Mama angerufen und sie gebeten, den Anruf für mich zu tätigen. Diesmal war mein Charme leider nicht so erfolgreich, sie hat mir in der Vergangenheit nämlich schon zwei Mal den Gefallen getan. Außerdem bin ich ja schon 32, und das Alter ist, in dem Fall zumindest, nicht nur eine Zahl. Also habe ich eine Weile prokrastiniert und mich, wenn auch mit Herzklopfen und zittriger Stimme, um 16:17 getraut, anzurufen, bevor das Konsulat um 17:00 geschlossen hat. Und wie ihr seht, lebe ich noch. Die Antizipation ist immer schlimmer als die eigentliche Sache, die Dame am Telefon war nämlich super lieb, hat mich offensichtlich verstanden, sagte mir dann aber, dass ich am Montag noch mal anrufen sollte, weil der Konsul außer Haus war. Argh. Also nächste Woche die ganze Sache noch mal von vorne, aber diesen kleinen Sieg darf ich trotzdem feiern. Schön, dass Erfolg mittlerweile individuell definierbar ist.
Jetzt hab ich für einen Einstiegspost doch viel zu viel geredet. Ich hoffe, euch das nächste Mal etwas Spannenderes erzählen zu können. Und wenn nicht, werdet ihr es mir eh nicht sagen, weil ja nur liebe Freund:innen und Familie die Texte lesen. In diesem Sinne heiße ich euch willkommen in meiner Ecke, beziehungsweise in meiner gemütlichen 1,5-Zimmerwohnung in Prenzlauer Berg in Berlin, wo es mal cool, mal bekloppt zugeht, wo ich mich irgendwo, selbstfermentierten Kombucha schlürfend, zwischen Selbstbewusstsein und Selbstzweifel bewege und mit euch meine verrückten, plausiblen, überraschenden, selbstverständlichen, ideenreichen, banalen Gedanken teile. Mal gibt es hier Power, mal Panik, immer Passion, aber niemals Perfektion.
Ciao, ciao, baba!
Eure Niki